Backen mit Model – Vergangene Kulturtechniken zum Anfassen

Zu den Aufgaben einer kulturhistorischen bzw. volkskundlichen Sammlung gehört es, Alltagskultur(en) materiell abzubilden. Sie bewahrt so nachhaltig nicht nur die materiellen Überreste vergangener Zeiten, sondern damit verbunden auch Geschichten und Kulturtechniken, die andernfalls in Vergessenheit geraten könnten.

Backen wie „anno dazumal“

Zu den (fast) vergessenen Kulturgegenständen unserer Zeit gehört auch der Backmodel. Zunächst einmal: Ja, der Model. Im deutschen ist es laut Duden üblich, eine „Holzform mit eingekerbten überlieferten Mustern, mit der Backwerk geformt wird“[1] mit dem männlichen Artikel zu versehen.

Seinen Wortursprung hat der Model im lateinischen „modus“ bzw. dessen Verniedlichungsform „modulus“, was so viel bedeutet wie „Maß“, durchaus in der Bedeutungsvariante, die man noch im „Maß aller Dinge“ findet, also etwa im Sinne von „Vorbild“.[2]

Seit dem Mittelalter sind Backmodeln bekannt.[3] Diese können aus Metall, Keramik oder Stein, meist jedoch aus Holz hergestellt und reich verziert sein. Über Jahrhunderte hinweg wurden sie verwendet, um darin kunstvoll verzierte Formgebäcke herzustellen. Das Stechen solcher Model ist eine Kunst für sich, die zeitweise auch zur Ausbildung der Lebküchler gehörte[4], aber auch einen eigenen Gewerbezweig in Europa entstehen ließ, den des Modelstechers.[5]

Die Kunst besteht dabei darin, die Formen (und mittelfristig die Gebäckstücke) zwar möglichst kunstvoll zu gestalten und doch gleichzeitig keine allzu großen Höhenunterschiede im Gebäck entstehen zu lassen. Denn nur so kann ein gleichmäßiges Ausbacken und eine gleichmäßige Bräunung des Gebäcks garantiert werden. Beim Backen mit einem Model wird der rohe, sehr feine, aber gleichzeitig zähe Teig in den Model hineingedrückt, anschließend wieder herausgelöst und ausgebacken.

Nikolausmodel aus Holz
Model mit Nikolausmotiv aus Holz.
Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern, Elias Nüse

Episcopus speculator – ein Nikolausgebäck?

Klassischerweise werden vor allem Spekulatius mit solchen Modeln hergestellt. Zu den „bevorzugten Motiven“ gehören dabei thematische Elemente aus der Nikolausgeschichte.[6] Dies ist auch ein Erklärungsansatz des Wortes „Spekulatius“, angelehnt an den alles beobachtenden Bischof, lat. „episcopus speculator“.[7]

Eine Theorie für den Zusammenhang von Nikolaustag und Spekulatius liegt in den teuren Gewürzen begründet, die der Teig erfordert. So war es ein sehr wertvolles Gebäck, das man nur am höchsten Feiertag verschenken konnte. Lange Zeit war dies eben der Nikolaustag, der auch bis weit in die Neuzeit der eigentliche Fest- und Beschertag im weihnachtlichen Festkreis war.

Erstmals überliefert werden diese Gebäcke aus Belgien und den Niederlanden. Auch dies kann man auf die enthaltenen Zutaten zurückführen. Spekulatius-Gewürz enthält meist Zimt, Nelken, Muskat und Kardamom. Alles Gewürze, die aus Übersee importiert werden mussten. Die Niederländer hatten durch ihre Kolonien in Asien hier beste Bezugsquellen.

Von den Niederlanden aus etablierte sich der Brauch des Spekulatiusgebäcks immer mehr im Westen Deutschlands, am Niederrhein und in Westfalen.[8] Heute schließlich kennen wir das Gebäck in ganz Deutschland. Mit der Zeit profanisierte sich dabei auch die Motivik. Und so wurden immer mehr nicht-religiöse Motive in die Modeln geschnitzt, so auch in unserer Abbildung.

Die wenigsten der heute meist industriell gefertigten Spekulatius werden tatsächlich noch mit (hölzernen) Modeln hergestellt. Entsprechend fällt den Museen die Aufgabe zu, die Kulturtechnik des Backens mit Modeln im „kollektiven Gedächtnis“ (Maurice Halbwachs) zu halten.


[1] https://www.duden.de/rechtschreibung/Model_Form_Vorlage

[2] Hansen, Hans Jürgen (Hrsg.): Kunstgeschichte des Backwerkes. Geschichte und Entwicklung der Gebäckarten und ihrer Formen, Oldenburg/Hamburg 1968, S. 43.

[3] Ruland, Josef: Weihnachten in Deutschland, Bonn-Bad Godesberg 1978, S. 128.

[4] Kronberger-Frentzen, Hanna: Die alte Kunst der süßen Sachen. Backformen und Waffeleisen vergangener Jahrhunderte, Hamburg 1959, S. 39.

[5] Ruland, S. 128.

[6] Metken, Sigrid: Sankt Nikolaus in Kunst und Volksbrauch, Duisburg 1966, S. 68.

[7] Vgl. Mezger, Werner: Sankt Nikolaus. Zwischen Kult und Klamauk, Ostfildern 1993, S. 143.

[8] Aachener Backformen, S. 8.

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