Das „Versandhaus Quelle“
Die Gründung eines der ehemals größten Versandhäuser Deutschlands geht auf das Jahr 1927 zurück. Damals entschied sich Gustav Schickedanz aus Fürth, aus seiner Großhandlung für Woll-, Web- und Kurzwaren das „Versandhaus Quelle“ entstehen zu lassen.[1] Das Unternehmen wuchs stetig. Bereits ab 1928 gab es einen Bestellkatalog.[2] In der Zeit des Nationalsozialismus trat Schickedanz bei der Übernahme verschiedenen jüdischen Eigentums in Erscheinung. In der Nachkriegszeit wurde er zunächst mit einem Berufsverbot und Zwangsarbeit belegt, letztlich jedoch als „Mitläufer“ eingestuft und so konnte er in sein Unternehmen zurückkehren.[3] 1949 wurde das erste Kaufhaus des Versandhändlers in Fürth eröffnet. In den Jahren danach wurde ein Umsatzwachstum von 900% verzeichnet.[4] Quelle warb mit einem „Universalversand für jedermann“: preislich bewegten sich die Artikel in einem Segment, das bewusst die untere und mittlere Einkommensklasse ansprach. Der Katalog galt als Enzyklopädie der Konsumgesellschaft, als „Bibel des Wirtschaftswunders”: was hier nicht aufgeführt war, hatte am Markt keine Chance.[5] Spätestens ab Mitte der 1980er-Jahre musste das Familienunternehmen nach zwei Ölkrisen und zunehmender Marktsättigung jedoch einen abfallenden Geschäftstrend verzeichnen. Nach der Insolvenz 2009 wurde das Versandhaus Quelle aufgelöst und 2011 richtete die Quelle GmbH einen Internetmarktplatz ein. Schon zwei Jahre später musste dieser wieder geschlossen werden, da er von den Kundinnen und Kunden nicht angenommen wurde. Inzwischen existiert wieder ein Online-Shop von Quelle, wie schon zuvor unter Führung der Otto Group.[6]
Katalog und Versandhandel
„Erotik-Schocker für den Sohnemann, Einkaufsführer für Mutti: Der Quelle-Katalog befriedigte die Sehnsüchte ganzer Generationen – vom Adventsdeko-Set bis zur Zierpalme.“[7] Mit seinem breiten Angebot war der allseits bekannte Quelle-Katalog das wichtigste Kommunikationsmittel des Unternehmens. Das Versprechen von Qualität, Tradition, Innovation und Preiswürdigkeit wurde auf diese Weise in die deutschen Haushalte getragen. Die erste Quelle-Preisliste von 1928 enthielt auf 92 Seiten knapp 2.500 Artikel aus den Segmenten Familie, Haushalt, Arbeitsplatz und Freizeit. Im Vergleich hierzu listete das erste Nachkriegs-Exemplar, die „Neueste Quelle Nachrichten“, lediglich auf vier Din-A4-Seiten 64 Artikel zu Kleidern, Arbeitsanzügen, Babyausstattung und Stoffen auf. Der erste Quelle-Hauptkatalog wurde im März 1954 eingeführt. Diese neue Art des Katalogs war nun mit den festgelegten Preisen für ein halbes Jahr gültig, während die zuvor genutzten Prospekte meist nur vier bis sechs Wochen, bis zum Erscheinen neuerer Ausgaben, gültig gewesen waren. Textilien blieben das nachfragestärkste Segment bei Angebot und Umsatz.[8] Insbesondere in den 1970er-Jahren erfolgte dann eine umfassende Verbreiterung des Sortiments, zeitweilig wurden sogar Hunderassen angeboten. Der Katalog wurde über die Jahre immer umfangreicher. Bei der Jubiläumsausgabe von 1977 wurden 80.000 Waren auf 980 Seiten gezeigt.[9]

Mit dem Tod von Gustav Schickedanz im gleichen Jahr begann auch für die Kataloge des Unternehmens ein neues Kapitel. Die Frühjahr/Sommer-Ausgabe 1978 erschien erstmals als „Goldener Katalog“, außen und innen mit angepasster Designsprache. Sie sollte mit der goldenen Farbe im Titelblatt das Image von Quelle und die versprochene Qualität der Ware unterstreichen. 1986 erschien die letzte Auflage in diesem, inzwischen optisch leicht veränderten, Format.[10]

Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern, Hans-Theo Gerhards
Trotz zunehmender Stagnation und Marktsättigung ab den 1970er-Jahren[11], erfuhr Quelle mit der deutschen Wiedervereinigung einen letzten Boom[12]. Die Ausgabe Herbst/Winter 1990/91 war der erste „gesamtdeutsche“ Katalog. Zuvor waren andere Lösungen gefunden worden, um auch Kundinnen und Kunden in der DDR zu beliefern. Beispielsweise wurde die Rubrik „DDR-Sonderbestellscheine“ eingeführt, welche ab dem Frühjahr/Sommer-Katalog 1981 der westdeutschen Kundschaft die Möglichkeit eröffnete, Sendungen an Verwandte und Freunde in der DDR über Quelle abzuwickeln.[13] Die letzte Ausgabe des Quelle-Hauptkatalogs erschien zum Herbst/Winter 2009/2010.[14]
Neben seinen großen Warenkatalogen versendete Quelle auch immer wieder Speziallisten. So entstanden neben der Foto- und Garten-Quelle auch Kataloge für Swimmingpools, Wohnwägen und Nachtstrom-Speicher-Heizungen. Dabei sticht die „Quelle-Fertighaus-Fibel“ heraus, die ab 1962 das Angebot an Fertighäusern abdruckte.[15] Ein solches Quelle-Fertighaus ist auf dem Marktplatz Rheinland im Freilichtmuseum zu sehen.

Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern, Hans-Theo Gerhards
Der Quelle-Katalog als historische Quelle
Bei dieser Firmengeschichte wundert es nicht, dass auch die Sammlung des LVR-Freilichtmuseums Kommern verschiedene Kataloge des Quelle-Versandhauses verzeichnet. Durch die darin enthaltene kompakte Darstellung von Warenwelten verschiedener Jahrzehnte, sind die Kataloge ein Medium, das Aufschluss über den jeweiligen Modegeschmack, von Schnittführung über Material und Trageweise von Alltagsmode gibt.[16] Sie liefern außerdem Einblicke in Themen der Alltagswelt wie Wohnungseinrichtung, Freizeitgestaltung und den Gebrauch von Elektrogeräten.
Bei der Analyse sind neben Veränderungen im Sortiment vor allem die Veränderungen im Design der Titelblätter deutlich zu erkennen. Diese betreffen zum einen neue Modetrends, aber auch die optische Darstellung der Waren. So zeigt der Vergleich verschiedener Ausgaben, dass die ursprünglichen Cover der Hauptkataloge bis 1978 insbesondere die Artikel des Sortiments bewerben. Mit der Zeit der „goldenen“ Kataloge ändert sich dies, indem zunehmend ein Titelbild mit goldener Umrandung in den Vordergrund rückt. Mit dem Ende der goldenen Serie, tritt das zentrale Titelbild schließlich ganz in den Mittelpunkt.[17]

Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern, Hans-Theo Gerhards
Diese Darstellungen ändern sich zu Beginn der 1990er-Jahre, als statt auf „Single-Optimismus“ nun auf glückliche Paare und Familien gesetzt wird.[18]

Die angebotenen Waren stellen die Antworten auf die Wünsche und Bedürfnisse der Quelle-Kundschaft dar, das Sortiment wird stets angepasst. Mit dem Angebot zum „Kauf auf Rechnung“ und der Werbung durch und mit Prominenten kam Quelle den wachsenden Anforderungen im Service und Entwicklungen im Marketing nach. Damit lassen uns die Quelle-Kataloge nicht nur modisch den Wandel der Zeit nachvollziehen, sondern auch wirtschaftlichen und soziokulturellen Veränderungen nachspüren.[19]
[1] Korbik, Johanna: Mode frei Haus. Die Modewelten der Quelle-Kataloge, 1954-1978, Münster, New York 2021, S. 11.
[2] Ebd., S. 46.
[3] Thomas-Ziegler, Sabine/ Wiethof, Nico: „Erst mal seh’n was Quelle hat“. Der Versandhandel, in: Mangold, Josef (Hrsg.): Quelle-Fertighaus. Ein Haus aus dem Katalog, Marktplatz Rheinland Band 2, Kommern 2015, S. 70.
[4] Korbik, Mode frei Haus, S. 50.
[5] Iken, Katja: Abschied vom Quelle-Katalog. Der Besteller-Bestseller, in: Spiegel online vom 23.10.2009, abrufbar unter URL: https://www.spiegel.de/geschichte/abschied-vom-quelle-katalog-a-948565.html; zuletzt eingesehen am: 09.05.2022.
[6] Korbik, Mode frei Haus, S. 53-56.
[7] Iken, Abschied vom Quelle-Katalog.
[8] Korbik, Mode frei Haus, S. 56, 60f.
[9] Reubel-Ciani, Theo: Der Katalog: Konsumkultur, Zeitgeist und Zeitgeschichte im Spiegel der QUELLE-Kataloge, 1927 – 1991; Dokumentation zum 80. Geburtstag von Frau Grete Schickedanz, Fürth 1991, S. 232-240.
[10] Ebd., S. 243-246, 293.
[11] Ebd., S. 238.
[12] Iken, Abschied vom Quelle-Katalog.
[13] Reubel-Ciani, Der Katalog, S. 263f, 316f.
[14] Korbik, Mode frei Haus, S. 64.
[15] Reubel-Ciani, Der Katalog, S. 223, 253.
[16] Korbik, Mode frei Haus, S. 13.
[17] Reubel-Ciani, Der Katalog, S. 245-259, 294.
[18] Ebd., S. 311-313.
[19] Ebd., S. 245-259.
Mehr zum Marktplatz Rheinland, wo das Quelle-Fertighaus zu finden ist, erfahren Sie in diesem Beitrag:
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