Bei dem Speichergebäude aus Lürrip handelt es sich um einen Fachwerkbau des späten 15. Jahrhunderts. Die Menschen schützten damals ihre Lebensmittel durch die Einlagerung in solchen Speicherbauten vor Dieben und Tieren. Umgeben von einem Wassergraben (Gräfte) und auf Steinplatten gesetzt wurde es Menschen und Mäusen schwer gemacht, an die Vorräte zu gelangen. Die Dächer dieser Bauten wurden damals fast ausschließlich als sogenanntes „Weichdach“ ausgebildet. Zur Neueindeckung des Speichers wurde Reet (Schilfrohr) verwendet.

Die Lage des Speichers inmitten eines Teichs erweist sich für Bauarbeiten am Dach allerdings als ein Hindernis. Weshalb die Erneuerung der Dacheindeckung notwendig wurde, sieht man, wenn man sich das Dach vor der Instandsetzung anschaut. Es waren sehr viele horizontale Linien in der Dachfläche zu erkennen. Dabei handelt es sich um Stangendraht aus Metall, dem sogenannten Vorlegedraht, mit dem das Reet auf der Dachkonstruktion festgeklemmt ist. Normalerweise ist der Draht von einer dicken Reetschicht überdeckt und damit weitgehend geschützt. Das Reet ist aber mit den Jahren verwittert, der Draht liegt frei und beginnt zu rosten. Dass eine dünne Dachhaut, in der die Befestigungen rosten, erneuert werden muss, versteht sich von selbst.

Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern
Für die Arbeiten wurde rund um die Dachflächen ein standsicheres Arbeits- und Schutzgerüst benötigt. Das Stellen des Gerüstes in der Teichfläche war nicht möglich. Der Teichgrund ist uneben und besteht aus einer weichen Lehmschicht. Deshalb wurde zunächst eine Plattform für das aufragende Gerüst erstellt. Weit spannende Gerüstträger wurden hierzu von Ufer zu Ufer geführt.


Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern, Hans-Theo Gerhards
Parallel zum Aufbau des Gerüstes wurde das Reet für die neue Eindeckung angeliefert. Nach dem Aufbau des Gerüstes wurden die – nach mittlerweile über 40 Jahren – stark abgewitterten Dachflächen abgeräumt und seitlich in einem Container gesammelt.

Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern

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Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern

Foto: LVR-Freilichtmuseum Kommern, Hans-Theo Gerhards
Die Reetbündel, die zur Neueindeckung benötigt werden, müssen auf jeden Fall trocken auf das Dach gebracht werden. Sie wurden mittels Schrägaufzug vom Ufer auf das Gerüst in Höhe der Dachflächen transportiert. Für die Dachflächen des Speichers wurden immerhin etwa 1.500 Reetbündel benötigt. Das Dach soll in fertigem Zustand eine mittlere Dicke von etwa 35 cm aufweisen. Auf einem Quadratmeter werden dabei ungefähr 10 – 12 Bündel ausgelegt und an die Unterkonstruktion angebunden. Die ersten neuen Reetbündel werden dann entlang der Traufe am unteren Ende des Daches positioniert. Ein ausreichender Dachüberstand schützt die darunter liegenden Wandbereiche aus Holz und Lehm. Die Klemmung des Reets erfolgt durch Anbindung des etwa 5-6 mm starken, horizontal liegenden Vorlegedrahts mit ca. 1-1,5 mm starkem Bindedraht an die Dachkonstruktion. Mit dem Klopfbrett werden die Halme in die richtige Position gebracht.



Am höchsten Punkt des Daches werden die überstehenden Halme umgeknickt und jeweils über den First gelegt. Auf diese Kehrlage werden Grassodenbahnen in mehreren Lagen übereinandergeschichtet und mit Hartholzpflöcken festgesteckt.

Das fertige Reetdach ist nicht nur langfristig regendicht, sondern auch ästhetisch sehr schön anzusehen. Die Kenntnisse dieser Handwerkskunst sind in Deutschland nur noch in wenigen Landesteilen, besonders in Norddeutschland, vorhanden. Reetdachdecker brauchen eine langjährige Erfahrung, um die Qualität des Dachdeckermaterials beurteilen zu können. Auch die Details der handwerklichen Techniken können nur durch ausreichende praktische Erfahrung und meisterliche Anleitung erlernt werden.